Patientensicherheit: Try an Accident

Johannes Reinmüller
Wiesbaden im April 2019

Geld oder Leben
Die französische Gesundheitsbehörde ansm hat im Dezember 2018 die für texturierte Silikonimplantate mit Handelsname Biocell des Herstellers Allergan erteilte europäische Zertifizierung (CE) nicht verlängert. Die Entscheidung wurde im Folgenden begründet mit einem vermuteten Zusammenhang dieser Implantate mit der Entstehung eines aggressiven malignen Lymphoms (breast implant associated anaplastic large cell lymphoma BIA-ALCL). Am 4. April 2019 wurden seitens der Behörde aus dem gleichen Grund der Vertrieb und die Verwendung weitere texturierter Silikon-Implantate und von Implantaten mit Polyurethan-Schaum (PU) Beschichtung untersagt. Eine Empfehlung zur Entfernung bereits implantierter Prothesen sprach die Behörde nicht aus.
Nach Auffassung der deutschen Behörde, BfArM, handelt es sich dabei um einen Alleingang der Franzosen. Bisher hat sich das BfArM deren Meinung nicht angeschlossen.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Sicherheit betroffener Frauen, die in der Vergangenheit Implantate der jetzt gebannten Typen erhalten haben? Ist es nicht inkonsequent, texturierte Implantate wegen eventuell lebensbedrohlicher Konsequenzen zu verbieten und gleichzeitig die Trägerinnen solcher Implantate nicht zum Implantatwechsel aufzufordern?
Dr.Oppikofer, Genf, Mitglied des Arbeitskreises für Patientensicherheit der ISAPS, hat in seinem Artikel in ISAPS News vol.13, No. 1, zum Thema „Patientensicherheit“ (Patient Safety) einen Leitsatz aus der Luftfahrtindustrie aufgegriffen: “ If you think safety is expensive – try an accident”.
Die Gültigkeit dieser Sentenz wurde uns gerade drastisch mit dem Absturz von zwei neuen Flugzeugen des Typs Boeing 737 MAX vor Augen geführt. Inzwischen mehren sich die Kommentare, die die Lufthoheit des Business bei Boeing über kostenintensive Sicherheitstechnik als wahren Hintergrund ansehen.
Die Parallele zu den Herstellern von Medizinprodukten, expressis verbis von Brustimplantaten mit der Luftfahrtindustrie ist unübersehbar. Es bedurfte der Intervention der französischen Aufsichtsbehörde ansm, um ein Verkaufsverbot für texturierte Mamma-Implantate in Frankreich herbeizuführen, so als hätten die Verantwortlichen in der Silikonindustrie seit 2011 nie etwas von BIA-ALCL gehört.

Üppige Apanagen für unabhängige Experten
Gerade der Marktführer Allergan sponserte in der Vergangenheit zahlreiche „Experten“ auf diesem Gebiet. Der opinion leader Dr. Clemens vom MD Anderson erhielt in den vergangenen Jahren ca. 500.000 US$. Wofür eigentlich? Aufwandsentschädigung, wie er es selbst bezeichnet, deshalb sieht er sich frei von Interessenskonflikten. Mit dieser üppigen Apanage kann man 10 Mal um den Globus jetten, selbstverständlich First Class. Vermutlich deshalb antwortet er mir nicht auf meine zahlreichen mails mit kritische Einwände zum Thema.

Was hat sich Allergan also damit erkauft? Wohlverhalten, inklusive pseudowissenschaftlicher Untersuchungen mit der Vorgabe, die Erforschung der Ursachen des BIA-ALCL voranzubringen? An den wahren Ursachen, sofern im Material bzw. im Herstellungsprozess begründet, ist man womöglich nicht wirklich interessiert. Dr. Clemens trat dann auch noch als unabhängiger Experte beim hearing der FDA am 25. März 2019 auf. Wir warten geduldig auf die Entscheidungen der US-Behörde, so wie ich seit 2016 noch immer auf eine Antwort des zuständigen Abteilungsleiters der FDA, Binita Ashar, auf eine Meldung zu unbekannten Einschlüssen im Innern von Silikonimplantaten des Herstellers Allergan warte.

Die Kunst der folgenlosen Entschlossenheit
Im Gegensatz zu der französischen Behörde üben sich die deutschen Gesundheitsbehörden in Zurückhaltung. Sie tragen zumindest Bedenken gegenüber der französischen Entscheidung und sind damit auf Augenhöhe mit den Fachgesellschaften der Plastischen Chirurgen weltweit. Man könnte meinen, dies geschehe aus Rücksicht auf die betroffenen Frauen: Wie sag ich´s meinem Kinde? Deshalb keine vorschnellen Äußerungen und Maßnahmen, welche Patienten verunsichern könnten. Salus aegrotii suprema lex, das verstehen alle. Doch fragt man nach den Nutznießern dieses zögerlichen Verhaltens, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass insbesondere die Hersteller, vertreten durch Lobbyisten, die Krankenkassen, verflochten mit dem Gesundheitsministerium, und nicht zuletzt auch die „Leistungserbringer“, vertreten durch Berufsverbände, geschont werden sollen. Alle profitierten vom status quo und sind offensichtlich daher wenig geneigt, den bestehenden Konsens aufzukündigen: „Der größte Feind der neuen Ordnung ist, wer aus der alten seine Vorteile zieht.“ (Niccolò Machiavelli).
Patientensicherheit erfordert ein anderes Denken bzw. andere Entscheidungen, nämlich die Empfehlung, die unsicheren Implantate bei allen Betroffenen zu entfernen bzw. auszutauschen gegen sichere Implantate. Vermutlich ein kostenintensives Unterfangen für die Krankenkassen, denn die Indikation beinhaltet medizinische Notwendigkeit. „Try an accident“, einfach durch Verzicht auf aktives Handeln, ist die weitaus kostengünstigere Variante. Davon sind zahlenmäßig wenige Einzelschicksale betroffen, und das ist kaum belastend für Krankenkassen bzw. für die Sozialsysteme. Das zumindest kann den verschiedenen Stellungnahmen entnommen werden, die sich um nüchterne und logische Betrachtungsweisen herumwinden, indem sie zur Rechtfertigung ständig die Ebenen der Diskussion wechseln.
In diesem Sinne äußert sich der Gesundheitsminister. Das BfArM verschanzt sich mit Hinweisen auf die Verlautbarungen der andern Beteiligten zum Thema. Der derzeitige ISAPS Präsident, Dr. Richter, verkündet den Verlustschmerz und glättet die Wogen mit der klassischen Ausrede So machen´s alle. Unter Hinweis auf ein Mehrheitsvotum über die guten Seiten der gebannten Implantat-Typen findet er zu einer erstaunlich einfachen Lösung des Problems: Brentuximab und alles wird gut. Die jüngste Information der DGPRAEC vom 05.April 2019 übt sich hingegen noch in Neutralität. Man fragt sich: War´s das schon, oder stimmt man (sich) noch ab?

Wenn sich alle Experten einig sind, ist Vorsicht geboten
Die aufgeführten Stellungnahmen täuschen darüber hinweg. dass es sich bei BIA-ALCL um eine lebensgefährdende Erkrankung handelt, deren Auftreten im Zusammenhang mit texturierten Implantaten aufgrund der vorliegenden Kasuistik nicht ernsthaft bestritten werden kann. Das
Argument, die Entstehung sei ursächlich nicht bekannt (Jens Spahn lt. DÄB), ist in dieser Diskussion aus wissenschaftlicher Sicht irrelevant. In diesem Zusammenhang wäre die Frage an den Minister zu richten: Was wird denn zur Klärung der Ursachen von ministerieller Seite unternommen? Hier die von mir telepathisch vorweggenommene Antwort: Wir haben ein Implantatregister auf den Weg gebracht. Als hätte das irgendetwas mit der Abwehr bedrohlicher Entwicklungen durch bereits eingesetzte texturierte Implantate zu tun, insbesondere unter Berücksichtigung der jahrelangen Latenz bis zum Auftreten der Erkrankung und der weiterhin steigenden Fallzahlen. Da passt das Zitat von Georg Danzer: „Zwickt´s mi, I glaub I tram“ und weiter nach dem „Watschen geben“ „Danke, jetzt ist mir klar, es ist wahr“.
Ebenso irrelevant für Patientinnen ist die Aufzählung zweifelhafter Vorteile der texturierten Implantate in Bezug auf das Risiko, an einem Lymphosarkom zu erkranken, ein weiteres Beispiel für die Verwechslung der Diskussionsebenen durch selbsternannte „Experten“. Wenn sich alle Experten einig sind, ist Vorsicht geboten (Bertrand Russell).

Déjà vu
Das ist alles nicht neu. Gehen wir zurück zum PIP-Skandal 2010. Ursprünglich wurde unterstellt, dass die Implantate dieses Herstellers übermäßig häufig Rupturen aufwiesen. Nach Intervention der Behörden wurde die Verwendung von nicht zertifiziertem Silikon bei der Herstellung festgestellt. Das wiederum führte zu der Vermutung, die Implantate könnten toxische Chemikalien enthalten. Die wahren Leidtragenden waren in der Folge – wie immer – Unschuldige, nämlich Kaninchen, denen man ohne jedes wissenschaftliches Konzept das verdächtige Silikon in die Haut injizierte. 2012 stellte die Europäische Behörde SCENIHR fest, dass PIP Implantate – soweit im Lager der Firma vorgefunden – keine Toxine enthielten. Zu keinem Zeitpunkt wurde eine lebensbedrohliche Situation für Patienten festgestellt. Und die Konsequenzen damals?
Die Kommentare und Empfehlungen der Behörden und Verbände waren die gleichen wie heute. Sie wiederholen sich im Falle der texturierten Implantate und BIA-ALCL, als hätte man es noch immer mit dem alten PIP Skandal zu tun. Die Dimension der Bedrohung ist allerdings eine andere. Doch kaum einer scheint das bemerkt zu haben. Oder?
Die jetzige Situation ist eher vergleichbar mit der Affäre um die Toxin-Bildung in Sojaöl- gefüllten Trilucent-Implantate während der 90iger Jahre. In diesem Falle waren die Aufsichtsbehörden kurz angebunden. Alle Implantate wurden ausnahmslos entfernt. Die Kosten trug der damals weiterhin solvente Hersteller. Der Hersteller der PIP-Implantate wurde im Zuge der Affäre insolvent. Obgleich man auch bei PIP-Implantaten ursprünglich von Toxin-Freisetzung ausging, entschieden sich die Behörden fürs Abwarten. Im Falle der jetzigen Affäre um die texturierten Implantate ist es offenbar zweifelhaft, in wie weit ein Zugriff auf das Vermögen der jetzt involvierten Hersteller möglich ist. So wird verständlich, weshalb die Entscheidung der Behörden im Sinne von Abwarten getroffen wurde.

Das häufige ist häufig …
Die wahre Dimension der gegenwärtigen Erkenntnisse bezüglich des Zusammenhangs zwischen texturierten Implantaten und BIA-ALCL lässt sich mit einer Frage aufzeigen: Was muss man einer betroffenen Patientin antworten, die das Auftreten eines BIA-ALCL und dessen Folgen sicher ausschließen will? 1) Intensivierte Beratung, 2) Ultraschall alle Jahre wieder, 3) Implantatentfernung mit Kapsulektomie.
Eine Zusatzfrage – an die Behörden und den zuständigen Minister – könnte lauten: Was ist zu unternehmen, um mit Sicherheit weitere Todesfälle infolge von BIA-ALCL auszuschließen? Man denke dabei an die rigorosen Maßnahmen und Argumente sowie an die neuere abgehobene Rechtsprechung zur Verhinderung von tödlichen Unfällen im Straßenverkehr oder zur Reduktion der Zahl der hochgerechneten Feinstaub-Opfer. „Ich nenn die Zahl und ich die Qual …“ (Fontane 1879 „Die Brück´ am Tay“). In allen genannten Bereichen geht es nicht etwa um die Kommastellen einer Statistik sondern um absolute Zahlen. Jedes einzelne Schicksal zählt. „Statistisch selten“ wird als Argument nicht zugelassen, anders bei texturierten Implantaten und BIA-ALCL.

Erkaufte Sicherheit?
Von der finanziellen Betrachtung abgesehen sind Empfehlungen der Lösung 3) oben in mindestens zwei Aspekten auch kritisch zu hinterfragen:
Es ist unterstellt, dass der Eingriff zur Implantatentfernung regelmäßig nicht tödlich verläuft. Genau das wird voraussichtlich von offizieller Seite entgegengehalten werden. Das Argument kann nicht mit einer statistischen Analyse belegt werden. Verwertbare Beobachtungen und Studien sind nicht hinterlegt.
Fraglich ist dabei auch das Ausmaß, in dem für die gefährdeten Frauen Sicherheit „erkauft“ werden kann. Genügt zur Prophylaxe die einfache Implantatentfernung bzw. der Implantatwechsel, oder ist immer die vollständige Kapsulektomie mit einzuschließen? Dies muss wiederum unter dem Gesichtspunkt der Radikalität der Kapsulektomie gesehen werden, und die ist in den meisten Fällen bei Lage des texturierten Implantates auf dem Periost der Rippen nicht gewährleistet.
Zur Diskussion steht noch der Zeitfaktor, da das Auftreten des BIA-ALCL mit einer Latenz von 6 bis 8 Jahren nach Erstimplantation einhergeht. Damit könnte sich für die Implantatentfernung, hilfsweise für den Implantatwechsel zu glatten Implantaten, im Einzelfall für Betroffene ein größeres Zeitfenster öffnen.

Bei Versagen Geld zurück
Im Resultat ist festzuhalten: Empfehlungen wie intensivierte Aufklärung und Beratung oder „Ultraschall“ (als IGEL-Leistung) können nur als kostengünstige politische Ausflüchte verstanden werden. Sie schützen die Sozialsysteme vor hohen Kosten und die Hersteller vor Regressen, wenn dies nicht bereits die Unternehmensstruktur und der Standort (z.B. für Allergan Costa Rica) gewährleistet. Die bisherigen Verlautbarungen in der Sache kommen somit denen zugute, die im bestehenden System prosperieren, nicht zuletzt die mit ihrer Hofhaltung an die Gold-Sponsoren angepassten Berufsverbände. Wie bei der Wettervorhersage am Urlaubsort sind sie weiterhin bemüht, eitel Sonnenschein vorherzusagen. Nur keine Panik, keine Demos. Es geht schließlich nicht um irgendeine Statistik zum globalen Klima, sondern um etwas höchst Individuelles: „patient safety“. Dieses Label dient nun bestenfalls noch als Sticker auf dem Überraschungsei der staatlichen Gesundheitsfürsorge. Aus Sicht betroffener Patientinnen ist die Situation vergleichbar mit dem Hinweis des Herstellers einer schusssicheren Weste: Bei Versagen Geld zurück.

Post scriptum: Am 2.Mai 2019 hat die FDA ihre Stellungnahme veröffentlicht. Es bleibt alles beim Alten, wie das Kölsche Grundgesetz: §1Et es wie et es! §2: Et kütt wie et kütt! §3: Et hät noch immer jot jejange!

„Implant files“ zur Sicherheit von Brustimplantaten

27. November 2018: „Implant files“ zur Sicherheit von Brustimplantaten: Der Kampf für mehr Patientensicherheit“ (DGPRÄC-Pressemitteilung).

Johannes Reinmüller

Da reden sich gerade alle die Köpfe heiß. Jeder will dabei gewesen sein, wenn ein verpflichtendes Implantat-Register eingeführt wird, um die Sicherheit der Brustimplantate zu verbessern und um unsere Frauen besser zu schützen, eine Art Waffenregister, das den Waffenbesitzer vor der Waffe schützt.

Welch ein fragwürdiges Unterfangen: ein Register für operative Eingriffe, bei denen die Implantation von neuen, ausnahmslos intakten Silikon-Implantaten erfasst werden soll. Mehr zunächst nicht! Dabei müsste man nur die Vorgänge beim so genannten PIP-Skandal rekapitulieren. Nachdem 2010 die „Bild-Zeitung“ glaubte, „Gift im Busen“ feststellen zu müssen, fand zwei Jahre später die Europäischen Behörde SCENIHR dies nicht bestätigt und gab Entwarnung. Was war hier geschehen? SCENIHR hatte die noch jungfräulichen Implantate aus dem Lager der PIP Company untersucht und damit die Unschuldsvermutung bestätigt. Dennoch schlage ich mich auf die Seite der „Bild-Zeitung“ und vermute nach wie vor, dass die Schlagzeile zutreffend gewählt wurde. Es wurde von SCENIHR versäumt, explantierte PIP-Implantate zu untersuchen und diese mit Explantaten von so genannten Premium-Produkten zu vergleichen. Man kann heute abschätzen, dass sich die Ergebnisse der beiden Gruppen nicht unterschieden hätten.

Vermutlich hätten die Experten von SCENIHR 2010 nicht einmal gewusst, wie und was sie sonst an Explantaten hätten untersuchen können. Zu dieser Zeit gab es nur wenige Veröffentlichungen zu Veränderungen, die Silikon als Biomaterial im Organismus erleidet und kaum validierte Verfahren zum Nachweis und zur Messung dieser Veränderungen. Selbst Ende 2018 findet man in einer überwiegend fachfremden Literatur nur wenige  aussagefähige Arbeiten. Trägt man jedoch diese zusammen, dann wird klar: Silikon-Implantate erleiden nach der Implantation in den Bioorganismus fortwährend Veränderungen chemischer und physikalischen Art und werden damit zu aktiven Implantaten. Das einst am Tage Null unschuldige Implantat wird im Laufe der Zeit zum Risikoprodukt.

Dies wurde uns schon einmal drastisch vor Augen geführt bei Einführung der zunächst als biologisch angepriesenen Trilucent-Implantate mit Sojaöl-Füller in den frühen 90igern. Im Biochemie-Kurs, 4. Semester Medizin Vorklinik, habe ich gelernt, dass Triglyceride mit ungesättigten Fettsäureresten, eben Öle, durch Sauerstoff oxidiert werden. Der Laie sagt: sie werden ranzig. Ranzprodukte sind eben bekannt als toxisch. Was der Laie nicht weiß: die Silikonelastomer-Hülle ist durchlässig für Sauerstoff.  Somit bestand von Beginn an Klarheit: das Trilucent-Implantat wird bzw. wurde nach der Implantation ins lebende Gewebe aktiv und setzt bzw. setzte Toxine frei. Ich habe deshalb niemals ein Trilucent-Implantat verwendet. Wer hat solchen Unsinn überhaupt zugelassen?

Implantate mit Silikongel-Füller unterscheiden sich von diesem Verhalten nicht grundsätzlich. Nicht nur die äußere Hülle sondern insbesondere die Masse an Gel im Innern sind Speicher für Biomoleküle und Umweltgifte wie DDT und PCBs. Wie sich diese während der Laufzeit verändern, ist nicht erforscht. Man weiß, dass z.B. ungesättigte Fettsäuren mit zu den Ingredienzien gehören. Man weiß, dass der Platin-Katalysator aus der Gel-Erzeugung in Innern verbleibt. Man weiß auch, dass Silikongel aus explantierten Prothesen das Wachstum in Zellkulturen verändert. Stichwort: „endocrine disruption“, ein Beweis für die biologische Aktivität.

Immerhin lassen Statistiken mit großen Teilnehmerzahlen erkennen, dass – zumindest in einem Zeitraum der Größenordnung Jahre – bei ca. 90% der Trägerinnen keine ernsthaften Gesundheitsstörungen auftreten – lokale mechanischen Komplikationen ausgenommen. Die restlichen 10% leiden an Symptomen, die zusammengefasst werden unter Begriffen wie adjuvant disease,  BII, ASIA, SIIS. Alle Erklärungsversuche hierfür sind bisher gescheitert. Hilfsweise versucht man die Erklärung mit dem Schlagwort Biofilm, das eine chronische Besiedlung der Implantat-Oberflächen mit Bakterien beschreibt. Man ignoriert die Differenzen der bakteriologischen Befunde bei strukturierten und glatten Oberflächen und preist im gleichen Atemzug die Vorteile der Texturierung in Bezug auf die Kapselfibrose.  Kurz: Bakterienfilme sind an allem schuld inclusive Ralstonia pickettii  bei BIA-ALCL. Deshalb werden inzwischen von namhaften Institutionen umfangreiche Vorgaben veröffentlicht, wie der Biofilm-Entwicklung entgegenzutreten sei. Weiter so.

Doch wer denkt schon an bakterielles Wachstum im Innern der Implantate, also dort wo unsere Asepsis nicht greift. Biologisches Wachstum von Bakterien und Pilzen kennt man von Implantaten mit saliner Füllung. Biologisches Wachstum im Innern von Silikongel-gefüllten Implantaten hält man aus welchen Gründen auch immer für unmöglich. Und dennoch gibt es Beobachtungen, die das Wachstum von Bakterien in den Gelen mit Bildung und letztlich auch Freisetzung von toxischen Substanzen nahelegen. Dies könnte dann eine zweite unabhängige Ursache für die Entwicklung von biochemischen Aktivitäten von Implantaten nach dem Einsetzen sein. Wir leben in einem Zeitalter, in dem man ständig neue Lebensformen mit spektakulären Eigenschaften entdeckt, tief im Innern der Erde, in heißen Quellen, auf dem Mars wird zurzeit  danach gesucht, warum nicht auch im Silikon. Eines wird daraus ersichtlich: die übliche „Sterilisation“ der Silikonimplantate mit trockener Hitze bei 100 °C ist illusorisch, und der Referenzkeim Bazillus stearothermophilus bleibt ein Surrogat, insbesondere da es gelingt, Tomaten-DNA bei 160 °C mithilfe von Silikongel zu stabilisieren.

Kurzum, nicht die Silikonimplantate aus dem Regal des Herstellers sind für die Beurteilung der Implantat-Sicherheit relevant sondern die gebrauchten Produkte. Wenn man schon unter Vorgabe ethischer Pflichten ein Implantat-Register fordert, dann doch bitte eins für die entfernten Implantate. Die Daten der Implantation und hoffentlich auch die neuere Krankengeschichte der Patienten werden dabei automatisch mitgeliefert. In kritischen Fällen kann dann der Inhalt des Implantates mittels Gaschromatographie (GC) und Massenspektrometrie (MS) analysiert werden mit der gleichen Begeisterung, mit der man bakteriologische Untersuchungen an der Implantat-Oberfläche betreibt.  Der Statistiker freut sich endlich über harte Fakten.

Was hat das alles mit Implant Files von 27. November 2018 und der DGPRÄC-Pressemitteilung zu tun? Dazu fällt mir eine spezielle Fragestellung bei multiple-choice-Fragen ein. Meine Antwort hier: Teil A richtig, Teil B richtig, Verknüpfung falsch. Meine ersten Beobachtungen zur Unsicherheit von Silikonimplantaten habe ich bereits 2003 dem Hersteller, einem Vorläufer von Allergan, berichtet. Es folgten weitere Mitteilungen an verschiedene Hersteller, das BfArM, die FDA, an das ansm und an ISAPS – bisher ohne Resonanz. Die Einreichung von Publikationen bei HaMiPla und ASJ wurden mit trivialen Begründungen zurückgewiesen. Bei meinem Vortrag im September 2018 in Bochum wurde die Diskussion vom Vorsitzenden verhindert. Für die Präsentation des Themas bei der ISAPS in Miami im November 2018 hat man mir die Besenkammer zugewiesen. Das MD Anderson Cancer Center mit der Lufthoheit beim Thema BIA-ALCL antwortet mir nicht.  Das sieht nun kaum nach „Kampf“ für mehr Patientensicherheit aus. Gemeint ist wohl der eher eigennützige Kampf gegen einen neuen Silikon-Skandal bzw. silicone ban. Selbst wenn es die betroffenen Kreise der Ärzteschaft im Gegensatz zur Industrie nicht besser wissen, sie ahnen und fürchten die Erkenntnis: Silikongel ist ein kritisches Biomaterial. Diese Feststellung blieb bislang ohne Konsequenz für die Anwender und die Hersteller, die mit demselben „mürben“ Teig immer nur nach den alten Rezepten Brötchen backen wollen.

Wiesbaden, den 16.12.2018

Es gibt ein Leben nach dem Silikon

Wer sich einer Operation zum Aufbau der Brust mit Silikon-Implantaten unterzieht, kauft die Folge-Operation mit ein – eine gute Lebenserwartung vorausgesetzt.

Brust-Implantate aus Silikon sind Kunststoffe, die im Organismus altern, weil sie insbesondere dort speziellen Bedingungen ausgesetzt sind. Über den Alterungsprozess ist bisher wenig bekannt. Dieser hängt wohl auch von individuellen Gegebenheiten ab. Grundsätzlich kann man sagen, dass nach 10 Jahren Implantationsdauer ein Grenzwert erreicht und zumindest ein Implantatwechsel empfehlenswert ist. Unter regelmäßiger ärztlichen Kontrolle einschließlich Ultraschall-Untersuchung kann man in vielen Fällen vielleicht noch ein paar Jahre „herausschinden“.

Alternativ zum Implantatwechsel sollte man über eine ersatzlose Entfernung der Implantate eventuell mit begleitenden Maßnahmen wie Bruststraffung nachdenken, denn: es gibt ein Leben nach dem Silikon.

Victoria Beckham, Crystal Hefner, Pamela Anderson, Yolanda Hadid, Melissa Gilbert, Heather Morris, diese Celebrities sind Beispiele für viele andere Frauen weltweit. Sie haben sich irgendwann in jüngeren Jahren für Brust-Implantate entschieden. Inzwischen haben sie sich die Implantate entfernen lassen.

Welche Gründe gibt es für einen Implantatwechsel bzw. für eine ersatzlose Implantatentfernung?

  1. nachgewiesene oder vermutete Implantatdefekte (Ultraschall, MRT)
  2. höhergradige Kapselfibrose mit Beschwerden wie Schmerzhaftigkeit
  3. Wanderung der Implantate
  4. tastbare Verhärtungen im Bereich der Implantate
  5. Veränderungen der Hautfarbe an der Brust, z.B. Rötung
  6. einseitige Größenzunahme einer Brust
  7. unklare Erkrankungen des Bindegewebes andernorts, z.B. Gelenkbeschwerden
  8. unklare Autoimmun-Erkrankungen
  9. Überalterung der Implantate
  10. schleichender Weichteilverlust an einer oder beiden Brüsten
  11. Implantate mit texturierter Oberfläche, vorsorglich zur Vermeidung eines bösartigen Lymphoms

Brustimplantatentfernen.de

 

 

Es gibt ein Leben nach dem Silikon

Wer sich einer Operation zum Aufbau der Brust mit Silikon-Implantaten unterzieht, kauft die Folge-Operation mit ein – eine gute Lebenserwartung vorausgesetzt.

Brust-Implantate aus Silikon sind Kunststoffe, die im Organismus altern, weil sie insbesondere dort speziellen Bedingungen ausgesetzt sind. Über den Alterungsprozess ist bisher wenig bekannt. Dieser hängt wohl auch von individuellen Gegebenheiten ab. Grundsätzlich kann man sagen, dass nach 10 Jahren Implantationsdauer ein Grenzwert erreicht und zumindest ein Implantatwechsel empfehlenswert ist. Unter regelmäßiger ärztlichen Kontrolle einschließlich Ultraschall-Untersuchung kann man in vielen Fällen vielleicht noch ein paar Jahre „herausschinden“.

Alternativ zum Implantatwechsel sollte man über eine ersatzlose Entfernung der Implantate eventuell mit begleitenden Maßnahmen wie Bruststraffung nachdenken, denn: es gibt ein Leben nach dem Silikon.

Victoria Beckham, Crystal Hefner, Pamela Anderson, Yolanda Hadid, Melissa Gilbert, Heather Morris, diese Celebrities sind Beispiele für viele andere Frauen weltweit. Sie haben sich irgendwann in jüngeren Jahren für Brust-Implantate entschieden. Inzwischen haben sie sich die Implantate entfernen lassen.

 

Welche Gründe gibt es für einen Implantatwechsel bzw. für eine ersatzlose Implantatentfernung?

 

  1. nachgewiesene oder vermutete Implantatdefekte (Ultraschall, MRT)
  2. höhergradige Kapselfibrose mit Beschwerden wie Schmerzhaftigkeit
  3. Wanderung der Implantate
  4. tastbare Verhärtungen im Bereich der Implantate
  5. Veränderungen der Hautfarbe an der Brust, z.B. Rötung
  6. einseitige Größenzunahme einer Brust
  7. unklare Erkrankungen des Bindegewebes andernorts, z.B. Gelenkbeschwerden
  8. unklare Autoimmun-Erkrankungen
  9. Überalterung der Implantate
  10. schleichender Weichteilverlust an einer oder beiden Brüsten
  11. Implantate mit texturierter Oberfläche, vorsorglich zur Vermeidung eines bösartigen Lymphoms

Die US-amerikanische Aufsichtsbehörde FDA geht davon aus, dass ca. 90% der eingesetzten Silikon-Implantate keine schwerwiegenden Gesundheitsstörungen verursachen – von mechanischen Problemen abgesehen. Ca. 10% der Implantaträgerinnen leiden unter Beschwerden, die als ASIA (autoimmune-inflammatory syndrom induced by adjuvants), Shoenfeld´s syndrome oder SIIS (silicone implant incompatability syndrome) bezeichnet werden.

http://breastimplantinfo.org/autoimmune-symptoms-breast-implants/

Eine neue Studie, veröffentlicht im September 2018 auf der Basis der von Daten der FDA, gibt nun erneut Anlass zum Thema Silikon-Implantate und Immunsystem zurückzukehren.

US FDA Breast Implant Postapproval Studies: Long-term Outcomes in 99,993 Patients Coroneos, Christopher J. et al., Annals of Surgery: September 14, 2018

Danach ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer der folgenden Erkrankungen bei Implantaträgerinnen gegenüber Frauen ohne Silikon-Implantate um ein Mehrfaches erhöht:

  • 8 mal für Sjögren Syndrom, eine Autoimmunerkrankung gekennzeichnet durch trockene Augen und Mundtrockenheit
  • 7 mal für Sklerodermie, eine Autoimmunerkrankung die zu Verhärtungen des Bindegewebes insbesondere der Haut führt
  • nahezu 6 mal für Rheumatoide Arthritis
  • nahezu 4 mal für ein bösartiges Melanom (schwarzer Hautkrebs)
  • mehr als 2 mal für Fehlgeburten

 

Entstehung bösartiger Lymphome (BIA-ALCL)

Seit 1997 nehmen Berichte zu über das Auftreten des anaplastischen, großzelligen Lymphosarkoms (englisches Akronym BIA-ALCL) in den Bindegewebskapseln, die sich um Silikon-Implantate insbesondere mit texturierten Oberflächen gebildet haben. Es handelt sich dabei um eine seltene bösartige Erkrankung, die unerkannt bzw. unbehandelt zum Tode führen kann. Sie unterscheidet sich deutlich vom Brustkrebs und ist mit diesem nicht zu verwechseln. Die französischen Gesundheitsbehörde ansm hat das CE-Zertifikat für Implantate mit der Bezeichnung „Biocell“ nicht mehr verlängert. Es handelt sich dabei um Implantate mit texturierter Oberfläche, die mit den so genannten „lost salt“ Verfahren hergestellt wird. Die Produkte dürfen in Europa nicht mehr eingesetzt werden. Über die Produkte anderer Hersteller mit texturierter Silikon-Oberfläche und über Implantate mit PU-Schaum-Mantel wird Stillschweigen bewahrt, obgleich auch diese Modifikationen mit der Auslösung des BIA-ALCL in Verbindung gebracht werden.

Behörden (in Deutschland das BfArM) und Berufsverbände (z.B. der Plastischen Chirurgen DGPRAEC) haben es bisher versäumt, den Frauen mit texturierten Implantaten konkrete Verhaltensweisen an die Hand zu geben. Was soll man unternehmen?

Die operative Entfernung der texturierten Implantate – insbesondere wenn diese unter dem Brustmuskel liegen – ist aufwändig, denn sie erfordert die vollständige Mitentfernung der umgebenden Bindegewebshülle. Damit ist dann zunächst alles Wesentliche getan. Diese Vorgehensweise bietet vermutlich die beste Vorsorge.

In der gleichen Operation – oder in einem zweiten Eingriff – ist es möglich

  • ein neues Implantat mit glatter Oberfläche einzusetzen,
  • den Hautmantel der Brust zu straffen (Mastopexie),
  • eine Übertragung von Eigenfettgewebe aus einer anderen Körperregion in das Unterhautgewebe der Brust durchzuführen.

Oftmals sind diese zusätzlichen Maßnahmen mit zusätzlichen Narben und Risiken verbundenen und nicht grundsätzlich erforderlich, da das Brustgewebe sich ähnlich wie nach dem Abstillen zurückziehen kann.

Die Empfehlung engmaschiger Kontrollen der im Körper befindlichen Silikon-Implantate mit Ultraschall-Geräten ist das Mindeste, was man zur Erhöhung der eigenen Sicherheit unternehmen kann. Diese Vorgehensweise ist nicht validiert, d.h. es gibt keine prospektiven Studien, die erklären können, wie sicher das Verfahren ist, und was unter „engmaschig“ zu verstehen ist.

Das Auftreten bösartiger Lymphosarkome im Kapselgewebe, bevorzugt der texturierten Silikon-Implantate, ist gegenwärtig Gegenstand intensiver Forschung. Eine wissenschaftliche Erklärung ist zurzeit nicht greifbar.

 

                 

 

Chemische Aktivität

Silikon-Implantate werden im Organismus chemisch aktiv

„Präzipitate im Silikongel“ makroskopisch

„Präzipitate im Silikongel“ mikroskopisch

Silikon-Implantate besitzen generell eine äußere Hülle aus Silikon-Gummi (Silikon-Elastomer). Diese ist durchlässig für organische Chemikalien incl. Biomoleküle und Umweltgifte (z.B. polychlorierte Benzole: PCBs). Diese reichern sich durch Diffusion im Innern der Implantate während des Aufenthaltes im Bioorganismus an – analog zum Fettgewebe (siehe auch „silicone wristbands“). Dies kann bewiesen werden durch optischen Nachweis von Kristallbildung innerhalb von 24 Std. in den Silikongelen der Implantate nach Entfernung.

Durch analytische Verfahren wurden bereits einzelne Chemikalien identifiziert, z.B. Phospholipide, Steroide, PCBs, Propofol. Die Frage ist, wie werden diese Chemikalien im Innern der Gele verändert, z.B. durch Sauerstoff (siehe Sojaöl-Implantate) und durch Katalyse infolge von verbliebenem Platin, und ab welchem Zeitpunkt gelangen die Chemikalien zurück in den Organismus des „Wirtes“? (Bestimmte PCBs stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung von Non-Hodgkin-Lymphomen.) In Bezug auf ALCL können diese Beobachtungen und die daraus resultierenden Fragen nicht ignoriert werden.

Davon zunächst unabhängig ist in ca. 10% der entfernten Implantate mit intakter äußerer Hülle „Wachstum“ zu beobachten, d.h. zum Zeitpunkt der Implantat-Entfernung sind die Gele optisch durchsichtig. Nach Aufbewahrung im Trockenen bei Raumtemperatur entwickeln sich während einer Zeitspanne von 6 -8 Wochen im Innern die im Poster (VAAM 2016/Jena) gezeigten, mit freiem Auge erkennbaren optischen Einschlüsse. Sie wachsen so zu sagen heran! Der Zeitbedarf ist deutlich zu unterscheiden von der vorgenannten Kristallbildung (24 Std. nach Explantation). Es ist ein anderes Phänomen. Wir vermuten biologisches Wachstum im Innern der Implantate.

Die Voraussetzungen für biologisches Wachstum im Innern der entfernten Implantate mit intakter Silikon-Hülle sind:

  • Kontamination der Silikon-Komponenten mit Sporen (Pilze, Bakterien) bei der Herstellung, bestätigt durch Konidien-Nachweis (Institut Fresenius, Tab.1 im Poster),
  • unzureichende Sterilisation des Endproduktes (trockene Hitze 100°C statt Autoklavierung mit Dampf 121°C bei 2 atm ),
  • Nährstoffangebot (siehe oben organische Chemikalien),
  • geeignete Wachstumsbedingungen, z.B. 36°C, gesättigte Wasserdampf- bzw.- Sauerstoff-Atmosphäre im Innern des Körpers, bei Implantat-Entfernung Änderung der Wachstumsbedingung und Bildung von sichtbaren Sporenträgern.

Versuche eines DNA-Nachweises in den Einschlüssen per PCR blieben mit der Ausnahme der Untersuchung des Holz-Institutes Dresden (siehe Poster VAAM 2016/Jena Tab.1) erfolglos. Hierfür kann die Interaktion der Polydimethylsilikon-Moleküle (PDMS) mit der DNA bemüht werden. Prof. Storsberg vom Fraunhofer-Institut Potsdam hat aus entsprechenden Untersuchungen eine ungewöhnliche thermische Stabilität der DNA im Silikon bei 160°C festgestellt. Es wäre Aufgabe des BfArM und der zuständigen Benannten Stellen gewesen, nach Hinweis auf das vermutete biologische Wachstum die Sterilisationsbedingungen für Silikon-Implantate zu überprüfen. Der Hinweis eines Herstellers auf Kontrolle des Sterilisationsverfahrens mit Sporen von B. stearothermophilus greift zu kurz, da der Keim am Ende des Herstellungsverfahrens eingesetzt wird. Es handelt sich um ein Surrogat. Das Überleben anderer extremophiler Sporen von Pilzen und Bakterien, eingebettet in die PDMS-Matrix beim Herstellungsverfahren, ist damit nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen.

Biologisches Wachstum im Innern der Implantate, d.h. die Bildung eines primär optisch nicht sichtbaren Mycels, bedeutet: Stoffwechsel durch Verwertung der Nährstoffe und Bildung von Abbau-Produkten. Erfahrungsgemäß und aufgrund der Lehren der Mikrobiologie können Letztere im menschlichen Organismus toxisch wirken. Sie sind damit pathogen.

Toxin-Entstehung – auf welchem Wege auch immer – im Innern von Silikon-Implantaten kann auch das bevorzugte Auftreten des ALCL bei texturierten Implantaten erklären:

Das in die „wells“ (Brunnen) eingewachsene und somit fixierte Kapselgewebe ist von 5 Seitenwänden des chemisch „leitfähigen“ Silikon-Elastomers umgeben, wie der Finger in der Sahne. Damit können die aus den Wänden austretenden Toxine in den Lumina der Textur höhere Konzentrationen erreichen. Gleichzeitig ist damit erklärt, warum ALCL auf der Implantat-Seite der Gewebskapsel entsteht. Die Situation des Kapselgewebes bei glatten Silikon-Oberflächen ist grundsätzlich günstiger in Bezug auf Toxin-Anreicherung an der Implantat-Oberfläche.

Toxin-Bildung im Innern von Silikon-Implantaten muss auch in Bezug auf alle bisher nicht abschließend geklärten unerwünschten Wirkungen dieser Medizin-Produkte als ursächlich in Betracht gezogen werden, insbesondere bei systemischen Erkrankungen die unter dem Begriff Silikon-Krankheit zusammengefasst werden können.